Brigitte Paulowitz
Es lohnt sich, das Material zu reparieren, zu reinigen und einzulesen.
Brigitte Paulowitz
Fritz Ritter filmte in den 1930er-Jahren Militärmanöver aus der Nähe, schaute Generälen über die Schulter und warf einen Blick hinter die Kulissen der Armee. Der Nachlass des passionierten Amateurfilmers und Oberstleutnants ist ein militärgeschichtliches Schmuckstück. Die Filme stehen ab sofort online in der Historischen Mediathek der Armee bereit.
Die Armee hat sieben Filme aus dem Nachlass des früheren Oberstleutnants Fritz Ritter erhalten. Sein Enkel Georg Ritter entdeckte die Filme des passionierten Hobbyfilmers im Nachlass seines Vaters. Er wandte sich an das Zentrum für Elektronische Medien (ZEM) der Armee mit der Frage, ob es die Filme archivieren wolle. «Andernfalls würde ich sie entsorgen.» Severin Rüegg vom ZEM nahm die gefilmte Armeegeschichte mit Handkuss entgegen. Im Päckchen waren sieben flache Alubüchsen und darin fein säuberlich beschriftete Filme – Format 16mm, insgesamt rund eine Stunde Filmmaterial.
Spannende Aufnahmen aus dem Armeealltag
Die Aufnahmen stammen aus der Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges: man sieht, wie General Henri Guisan mit hohen Militärs vor der Kommandozentrale des 2. Armeekorps redet. In einer Sequenz dokumentiert Ritter Pontoniere in ihren Booten beim Transport von Militärtöffs über einen Fluss. Eine andere Filmrolle beinhaltet Aufnahmen eines Manövers im Diemtigtal – sowohl Kampfszenen wie auch Aufnahmen über den Soldatenalltag ausserhalb des «Schlachtfeldes». In einer anderen Szene unterhalten sich Schweizer Offiziere mit Kollegen des französischen Heeres und der deutschen Wehrmacht. «Mein Vater erzählte mir, dass Grossvater während des Krieges auch deutsche Offiziere empfangen hatte», erinnert sich Georg Ritter.
Der Film über den Wiederholungskurs des schweren Artillerie Regiments 2 in Langenbruck BL ist ebenfalls eine Trouvaille.

Fritz Ritter-Dreier
Weltkriegsgeneral Henri Guisan (Mitte) besucht seine Kommandeure auf dem Feld.
Bild ZVG Schweizer Armee
Vorsichtiger Umgang mit wertvollem Material
Während die Filmszenen in einem ZEM-Büro über den Computerbildschirm flimmern, riecht es penetrant nach Essig. Die Filme zersetzen sich, erläutert Brigitte Paulowitz, langjährige externe Restauratorin beim ZEM, und die Dämpfe könnten andere Filme «anstecken». Die Filme schrumpfen in der Folge und können nicht mehr auf den Projektor aufgezogen werden. Eile und ein vorsichtiger Umgang mit dem Material sind geboten.
Das Material sei wertvoll, sagt Paulowitz, «es lohnt sich, es zu reparieren, zu reinigen und einzulesen.» Aufnahmen aus den 1930er-Jahren seien selten und erwünscht. Ritters Aufnahmen sind zwar Amateurfilme, aber aussergewöhnlich gut. Diese Mischung aus militärischen und privaten Inhalten sei selten und zugleich wohl typisch für die Schweiz mit ihrer Milizarmee. «Ruhig und umsichtig gefilmt, fast alles ungewöhnlich scharf», würdigt Rüegg mit einem Kennerblick die Aufnahmen.
Filmische Einblicke aus nächster Nähe
Gerade die Szenen der Manöver seien beeindruckend, so Paulowitz. Ritter gibt einen intimen Einblick in das Funktionieren der Armee von früher, und er stellt sich zu den Würdenträgern in Uniform. Wer aus so nächster Nähe filmte, musste aufgefallen sein. Denn jeder Meter Film ging durch die Hände der Militärzensur. Offenbar störte sich die Armee nicht an den Insider-Aufnahmen. Paulowitz vermutet, dass Ritter sehr wahrscheinlich im Auftrag gehandelt hat. Belege hierfür gibt es jedoch keine.
Häufig seien Anfragen wie diejenige von Enkel Ritter nicht, bedauert Rüegg. Jede Meldung werde geprüft. Die Armee wolle sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen, echte Schätze für die Nachwelt zu erhalten. Erinnerungen an eine Zeit, die sonst mit dem Verschwinden der Aktivdienst- und Kriegsgeneration vergessen geht.
Quelle: Schweizer Armee
16.7.2020
Fritz Ritter-Dreier
Fritz Ritter-Dreier, Jahrgang 1891, war Soldat im Ersten Weltkrieg. Mitte der 1920er-Jahre kommandierte er eine Kompanie und dann eine (auf Velos) «Fahrende Mitrailleur-Abteilung». Er wurde 1936 zum Oberstleutnant befördert. Vor Kriegsbeginn kommandierte er das Grenzregiment 47 der Grenzbrigade 4, welche für die Verteidigung des Raums Basel zuständig war. Er gehörte zu den engsten Vertrauten des umstrittenen Oberstdivisionärs Eugen Bircher, wie Ritters private Aufzeichnungen belegen. Ritter kritisierte die schlechte Vorbereitung und Ausrüstung der Armee am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Er verliess Anfang 1939 die Armee aufgrund unüberwindbarer Differenzen. Nach Kriegsausbruch arbeitete er als Reeder bei der Basler Rheinschifffahrts-AG (BRAG).
Einige der Filme von Fritz Ritter sind in der Historischen Mediathek des Zentrums Elektronische Medien (ZEM) abrufbar.
Trouvaillen gesucht
Wer im Keller oder auf dem Estrich alte Filme findet, welche für die Armee interessant sein könnten, kann sich beim ZEM melden. «Bevor wir einen Schenkungsvertrag ausstellen, prüfen wir aufgrund von Angaben und später am Material, ob uns die Filme interessieren und wir sie für eine Archivierung in Betracht ziehen», so Severin Rüegg. Dabei übernimmt das ZEM die Rechte für die Verwertung der Filme. Der ehemalige Besitzer kann die Filme zwar wieder zurückhaben, erhält aber nicht automatisch eine digitalisierte Version.