Philippe Rebord – Korpskommandant und Chef der Schweizer Armee

Herbsttagung der Militärakademie an der ETH Zürich

Divisionär Daniel Keller, Kommandant Höhere Kaderausbildung der Armee

Herbsttagung Militärakademie

Einen Grad höher zu sein, bedeutet nicht, alles besser zu wissen.

Divisionär Daniel Keller, Kommandant Höhere Kaderausbildung der Armee

Bild ZVG Schweizer Armee

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Herbsttagung Militärakademie

Herbsttagung Militärakademie

Brigadier Peter C. Stocker, Kommandant Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich. Bild ZVG Schweizer Armee

Entscheiden in kritischen Situationen kann nicht jeder. Die Fähigkeit ist aber immens wichtig, da in kritischen Situationen eben besonders rasch und vor allem richtig entschieden werden muss. Genau mit dieser Herausforderung hat sich am 8. September die jährlich stattfindende Herbsttagung der Militärakademie an der ETH Zürich befasst.

Der Kommandant der Militärakademie an der ETH Zürich, Brigadier Peter C. Stocker eröffnete im Audi Max die jährliche Herbsttagung vor einem stattlichen Publikum. Der Tagungsleiter Hubert Annen, Dozent für Militärpsychologie und -pädagogik der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich, führte ins Thema «Entscheiden in kritischen Situationen» ein. Dabei machte er auf die systematischen, psychologischen Denkfehler aufmerksam, denen Entscheider täglich ausgesetzt sind. Ein Beispiel wäre, wenn der Chef bei der Personalselektion unbewusst aufgrund von Vorurteilen entscheidet.

Vier Referenten – vier Geschichten

Sascha Amhof ist als FIFA-Schiedsrichter ein professioneller Entscheider. Scherzhaft sagt er: «Meine Entscheidungen bestimmen nicht über Leben und Tod, manchmal könnte man es aber meinen.» Er zeigte dem Publikum anhand von verschiedenen Fussballszenen, wie schwierig die Entscheidungsgrundlage für ihn manchmal ist. Er ist sich aber sicher: «Wenn die Zuschauer merken, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen entscheide, werden mir allfällige Fehlentscheidungen eher verziehen.»

Tatsächlich um Leben und Tod ging es bei den Dilemmata, die Thierry Carrel, Herzchirurg, vorstellte. «Ich erkenne manchmal erst Jahre später, ob es die richtige Entscheidung war, ein Kind zu operieren. Für mich bedeutet etwas zu entscheiden immer auch etwas zu riskieren.» Da Chirurgen immer im Team arbeiteten, sei es wichtig, dass sich jeder getraue, seine Meinung einzubringen, auch dem Chef gegenüber.

Da das Entscheiden in kritischen Situationen im Kontext der Armee vor allem im Krieg und in Katastrophen stattfindet, wurden zwei einsatzerfahrene Generäle eingeladen. Brigadegeneral André Bodemann aus Deutschland und Generalleutnant a. D. Mart de Kruif aus den Niederlanden berichteten aus ihren Einsätzen in Afghanistan. Sie mussten ohne Informationen und unter grossem Zeitdruck Entscheidungen treffen, ohne die Konsequenzen zu kennen. Generalleutnant a. D. Mart de Kruif schilderte seine Entscheidung, einen Antrag auf Luftunterstützung abzulehnen. Daraufhin wurden im betroffenen Zug eine Person getötet und mehrere verletzt. Unklar ist, ob es besser gekommen wäre, hätte er anders entschieden. Darum betonte er nach den Ausführungen: «Failure is an option – Versagen ist eine Option.»

In psychologisch wissenschaftlichen Kontext setzen

Anne Herrmann, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz, hat die einzelnen Referate jeweils in den psychologischen Kontext gesetzt. Sie betonte die Wichtigkeit von «Deliberate practice», dem gezielten Training schwieriger Entscheidungsaufgaben, um hierfür spezifische Expertisen zu entwickeln. Ausserdem rief sie dazu auf, nachsichtig zu sein mit den Entscheidungen anderer. Im Nachhinein sähe die Ausgangslage häufig klarer aus als in dem Moment, in dem die Entscheidung getroffen werden muss. Ausserdem müsse man den Prozess der Entscheidfindung unabhängig von den Konsequenzen bewerten. Sprich: Die Entscheidfindung kann korrekt gemacht worden sein, obwohl die Konsequenzen negativ sind.

Divisionär Daniel Keller, Kommandant der Höheren Kaderausbildung der Armee, übertrug die Erkenntnisse aus den Referaten in die Ausbildung militärischer Kader. Für die militärische Ausbildung sei entscheidend, dass die Kader hart an der Realität und nahe an der Zukunft trainierten. Dies werde vermehrt, unter anderem mit simulationsgestützten Übungen, sichergestellt. Den Kadern mit Führungsfunktion rät er: «Als Chef muss man den Widerspruch erdulden und den Mut haben, zuzuhören. Einen Grad höher zu sein, bedeutet nicht, alles besser zu wissen. Der Chef ist eine Person, der auf seine Unterstellten angewiesen ist, obschon die finale Entscheidung nicht delegierbar ist.»

Nach den Worten von Div Keller würdigte und verdankte Br Stocker die Tagung. «Ich hoffe, Sie alle an der nächsten Herbsttagung wieder begrüssen zu dürfen.»

Für Hubert Annen war die Herbsttagung der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich ein Erfolg. Er habe es gerne gesehen, welche Entscheidungsfreude bei den einzelnen Referenten zu spüren gewesen sei, obwohl Entscheidungen im Alltag oft negativ konnotiert seien. Er sieht sich bestätigt mit dem Ansatz der «Deliberate practice» und sagt: «Es ist von grosser Bedeutung, dass man übt, was man nicht kann, aber in einem Umfeld, in dem man sich wohl fühlt.» Bezogen auf die Armee ist er überzeugt: «Wenn wir als Armee in der Ausbildung weiterkommen wollen, müssen die Kader die Konsequenzen ihrer Entscheidungen spüren. Wenn die Übung nach drei Tagen vorbei ist, darf nicht alles vergessen sein. In diesem Punkt muss die Armee noch einen zusätzlichen Effort leisten.»

Quelle: Schweizer Armee

18.9.2018

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Die Referenten und Organisatoren.

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