Divisionär Wellinger, Kommandant des Heeres
Die grösste Bedrohung ist heute eine hybride Bedrohung.
Divisionär Wellinger, Kommandant des Heeres
Getrieben durch den gesellschaftlichen Wandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft muss sich die Armee stetig weiterentwickeln und sich neue Gegebenheiten anpassen. Die «Weiterentwicklung der Armee» (WEA) ist ein solcher Entwicklungsschritt und brachte 2018 unter anderem die Neuorganisation des Heeres mit sich.
Wie dieses neue Heer aussieht und welche Herausforderungen sich ihm stellen, konnten Interessierte in den letzten Wochen anlässlich verschiedener Veranstaltungen vom Kommandanten Heer höchstpersönlich erfahren.
Divisionär René Wellinger ist seit Beginn des Jahres vielerorts als Gastredner anzutreffen, denn zahlreiche Organisationen möchten vom Kommandanten direkt hören, wie das neue Heer nach der Umsetzung der WEA aussieht. Unter anderem war er auch an der Generalversammlung der Offiziersgesellschaft Biel-Seeland als Referent zu Gast, wo im Gemeindesaal von Evilard rund 120 Mitglieder und Gäste seinen Ausführungen zum Thema «Das Heer und die Operationssphäre Boden» lauschten.
In seiner einleitenden Analyse der heutigen Gegebenheiten unterstrich Divisionär Wellinger, dass man sich heute nicht mehr primär mit konventionellen Angriffen eines staatlichen Gegners auseinandersetzen darf. Die grösste Bedrohung sei heute eine hybride Bedrohung. Szenarien, bei denen sowohl staatliche als auch nicht-stattliche Akteure gemeinsam auf ein strategisches Ziel einwirken – zum Teil offen, zum Teil verdeckt. Und da sei die militärische Aggression nur ein Mittel von vielen, das genutzt werden kann.
Solche Strategien würden heute mancherorts bereits erfolgreich angewandt und es sei auch klar, woher das kommt: In Ländern, wo die Bevölkerung wie bei uns mehrheitlich in urbanem Gelände wohnt, koste ein klassischer Krieg Unmengen an Menschen und Material und ziehe zudem horrende Wiederaufbaukosten nach sich. Da sei es wesentlich effizienter und kostengünstiger ein Gebiet zuerst zu destabilisieren, bevor man es schlussendlich besetzt. Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und Terror seien nur ein paar der Möglichkeiten, denen sich ein Aggressor mit seinen Verbündeten bedienen kann.
Deshalb sieht es der Kommandant Heer als zentrale Aufgabe des Sicherheitsverbundes Schweiz an, sich mit der Möglichkeit einer solchen Bedrohung auseinanderzusetzen, damit wir im Ernstfall in der Lage sind, eine solche handhaben und abwehren zu können.

Neues Heer Schweizer Armee
Divisionär Wellinger betont im Gemeindesaal Evilard die Notwendigkeit, dass die Waffengattungen gemeinsam für allfällige Einsätze trainieren. Foto Hptm Yves Nussbaum. Bild ZVG Schweizer Armee
In diesem Sinne hat auch die Armee ihren Beitrag zur Sicherheit in der Schweiz zu leisten. Und so leitete Divisionär Wellinger über zur Vorstellung des heutigen Heeres, seiner Organisation mit den drei Mechanisierten Brigaden und seinen Aufgaben gemäss der neuen taktischen Reglemente. Er formuliert die Positionierung des Heeres in einfachen und klaren Worten: «Mit dem Heer will ich Kompetenzträger für die Abwehr eines bewaffneten Angriffes sein und die Operationssphäre Boden konsequent weiterentwickeln». Deshalb sei das Heer auch nicht «nur» eine Division.
Als Kommandant des Heeres kann er im Falle eines Angriffs oder gegebenenfalls in anderen ausserordentlichen Lagen, im Auftrag des Chefs Operationen, als Kommandant Einsatzverband Boden (EVB) – und somit als Verantwortlicher für alle Einsätze am Boden – oder aber als Kommandant der Mechanisierten Division eingesetzt werden. Dies umfasst je nachdem weit mehr als die drei direktunterstellten Brigaden und bedingt eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. «Die Zeiten in denen jede Waffengattung für sich trainiert hat sind vorbei. Wir müssen im Verbund üben. Sonst sind wir nicht in der Lage unsere Aufträge zu erfüllen».
Aber nicht nur die Zusammenarbeit innerhalb der Armee, sondern auch mit den Blaulichtorganisationen und zivilen Schlüsselpartnern müsse im Ernstfall funktionieren und deshalb trainiert werden. Zum einen sei dies von zentraler Bedeutung für die allfällige Abwehr einer hybriden Bedrohung, wie sie die Welt heute kennt. Zum anderen sei es auch in anderen Ausnahmezuständen unumgänglich, damit die Armee ihre Aufträge vollumfänglich erfüllen kann. Mit dem heutigen Bestand von 100‘000 Soldaten könne man im Ernstfall kein flächendeckendes Dispositiv mehr beziehen.
Wenn die Armee gleichzeitig Schützen, Helfen und Kämpfen muss, geht das nur mit einer erprobten Zusammenarbeit aller Partner und mit modernem Material, das unter anderem ein Höchstmass an Mobilität garantieren muss. Dieser und weiteren Herausforderungen, wie zum Bespiel sich immer rascher entwickelnde Technologien, haben sich die Rüstungsverantwortlichen der Armee und somit auch er als Kommandant Heer zu stellen. Und eines sei klar: «Wenn die Armee vollumfänglich zum Einsatz gelangt, gibt es keinen Plan B mehr. Unsere Armee ist der Plan B. Und somit gibt es dann nur eines: Gewinnen!»
Quelle: Schweizer Armee / Hptm Yves Nussbaum
22.4.2019