Schweizer Armee am WEF: Interview mit Korpskommandant Aldo C. Schellenberg

Korpskommandant Aldo C. Schellenberg

Im Fall einer Verletzung des Luftraumes kann als letztes Mittel der Abschuss befohlen werden.

Korpskommandant Aldo C. Schellenberg

Korpskommandant Alco C. Schellenberg am WEF

Korpskommandant Alco C. Schellenberg am WEF

Bild ZVG: Schweizer Armee

Am Jahrestreffen des World Economic Forums (WEF) in Davos werden die zivilen Behörden tatkräftig durch die Schweizer Armee unterstützt. Die Zusammenarbeit ist eng, die Abläufe genau geplant. Die Einsatzverantwortung obliegt der zivilen Seite, doch die Armee erbringt mit ihrem Einsatz einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag zur Sicherheit der Forumsbesucher aus der ganzen Welt.

Die Schweizer Armee leistet in Davos einen subsidiären Sicherungseinsatz. Wie wichtig ist dabei die Zusammenarbeit mit zivilen Stellen, wie der Kantonspolizei und anderen Sicherheitspartnern?

Korpskommandant Aldo C. Schellenberg: Eine enge, professionelle und konstruktive Zusammenarbeit mit dem zivilen Auftraggeber ist sowohl in der Vorbereitung als auch im Einsatz von zentraler Bedeutung für den Erfolg. Ein subsidiärer Sicherungseinsatz der Armee erfolgt auf Begehren ziviler Behörden, wenn deren Mittel nicht mehr ausreichen – zur Unterstützung bei Spitzenbelastungen oder für Aufgaben, die die Behörden mangels geeigneter Personen oder Mittel nicht alleine bewältigen können. Die Armee kann auch bei der Erfüllung anderer Aufgaben von nationaler oder internationaler Bedeutung unterstützen. Im Fall des WEF-Jahrestreffens ist der Auftraggeber der Kanton Graubünden. Die Kantonspolizei Graubünden trägt die Gesamtverantwortung für die Sicherheit an der Jahreskonferenz. Sie beurteilt in Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten die Sicherheitslage und den Umfang der Sicherheitsmassnahmen. In Absprache mit der Armee definiert sie deren Aufträge und Leistungen. Die Führungsverantwortung für die eingesetzten Truppen tragen jedoch immer die Truppenkommandanten.

Nach welchen Kriterien erfolgt der Einsatz?

Teil der Absprachen sind auch die sogenannten Einsatz- und Verhaltensregeln für die Truppe und die konkreten Befugnisse der eingesetzten Armeeangehörigen im Rahmen der «Verordnung über die Polizeibefugnisse der Armee».

Und welche Bedeutung hat dabei die Zusammenarbeit mit den Nachbarn, zum Beispiel mit Österreich?

Auch im Luftraum kommt der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern eine wichtige Stellung zu. Es bestehen Verträge für grenzüberschreitenden Luftpolizeidienst zur Abwehr nicht-militärischer Gefahren mit Italien, Deutschland und Frankreich. Ein analoger Vertrag mit Österreich wurde von beiden Staaten ratifiziert. Er tritt auf den 1. Februar 2019 in Kraft. Wie in den Vorjahren sind aber dank einer entsprechenden Vereinbarung mit unserem östlichen Nachbarland grenzüberschreitende Interventionen während des WEF möglich. Generell gilt: Ein allfälliger Waffeneinsatz darf nur über dem jeweils eigenen Staatsgebiet stattfinden. Übrigens: Der Einsatz der Schweizer Luftwaffe zur Durchsetzung der Flugverbotszone über Davos ist kein subsidiärer Einsatz, sondern der originäre Auftrag der Luftwaffe zur Wahrung der Lufthoheit. Sie handelt dabei also nicht im Auftrag und unter Einsatzverantwortung des Kantonspolizei Graubünden.

Während der Dauer des WEF verfügt das Bundesamt für Zivilluftfahrt auf der Basis eines Bundesratsentscheids eine Restricted Area – einen eingeschränkten Luftraum – über Davos. Was heisst das für den zivilen Luftverkehr? Muss dieses Gebiet strikt gemieden werden?

Nein. Wenn zivile Luftfahrzeuge im Voraus bei der Luftwaffe angemeldet und identifiziert worden sind, ist die Benützung des Luftraums auch in der Restricted Area möglich. Für die Bewilligung ist die Luftwaffe zuständig. Zudem muss der mittels Helikoptern stattfindende Flugverkehr nach und ab Davos geregelt werden. Einschränkungen gelten auch für Gleitschirme, Drohnen, Modellflugzeuge und so weiter.

Was passiert bei einer Luftraumverletzung?

Im Fall einer Verletzung des eingeschränkten Luftraumes interveniert die Luftwaffe. Sie fängt die entsprechenden Luftfahrzeuge zur Identifikation ab und zwingt sie zum Verlassen des Luftraumes oder zur Landung auf einem geeigneten Flugplatz. Bleibt die Interzeption gemäss international geregelten Normen erfolglos, kann als letztes Mittel der Abschuss befohlen werden. Dies durch die Chefin des Departementes VBS oder – delegiert – durch den Kommandanten der Luftwaffe.

Wo liegt der Mehrwert dieses Einsatzes für die Armeeangehörigen?

Der Einsatz der Armeeangehörigen erfolgt nicht als Ausbildungsdienst, sondern in der Rechtsform «Assistenzdienst» und entspricht dem erwarteten Leistungsprofil der eingesetzten Formationen und dem Auftrag der Armee gemäss Militärgesetz. Nach einer kurzen einsatzbezogenen Ausbildung geht es in den Einsatz. Es ist für mich immer wieder eindrücklich zu erleben, mit welchem Engagement, mit welcher Ernsthaftigkeit und mit welchem Verantwortungsbewusstsein unsere Armeeangehörigen aller Ränge und Funktionen die Herausforderungen unter oft extremen Bedingungen mit Schnee, Kälte und Eintönigkeit, Tag und Nacht und im Gebirge annehmen und dabei hervorragende Leistungen erbringen. Die dabei gemachten Erfahrungen auf allen Stufen stärken nicht nur das Selbstbewusstsein jedes Einzelnen, sondern fliessen als Lehren und Erkenntnisse auch zurück in das Training und den Ausbildungsdienst. Die in den Wiederholungskursen zu erreichende Grundbereitschaft der Formationen muss solche Einsätze jederzeit und aus dem Stand ermöglichen.

Und für die Kader?

Die Führung im Echteinsatz, rund um die Uhr, über eine längere Zeit, unter schwierigen äusseren Bedingungen und unter den Augen der Weltöffentlichkeit stellt an die Kader hohe Ansprüche. Hier zeigen sich die Vorzüge unserer Milizarmee in besonderem Masse: die beste praktische Führungsausbildung gepaart mit Verantwortungsbewusstsein, Disziplin und gesundem Menschenverstand. Solche Einsätze bringen dem Kader wertvolle Erfahrungen und die Möglichkeit, daraus gewonnene Erkenntnisse in weitere Dienstleistungen einfliessen zu lassen.

Vor welche spezifischen Herausforderungen stellt das WEF 2019 die Armee im Allgemeinen und die Kommandokette im Besonderen?

In Hinblick auf die terroristischen Anschläge in Europa in jüngster Vergangenheit bleibt die Bedrohung in vielen europäischen Ländern hoch. Auch radikalisierte Personen in der Schweiz könnten sich dadurch zu terroristischen Gewalttaten inspirieren lassen. Deshalb wurde das Sicherheitsdispositiv bereits am WEF 2016 der erhöhten Terrordrohung angepasst. Auch für die sichere Durchführung des WEF 2019 ist ein robustes Sicherheitsdispositiv mit einer sichtbaren Polizeipräsenz notwendig. Hinzu kommen eine intensive Aufklärung und polizeiliche Kontrolltätigkeit. Die Sicherheitslage wird von den zivilen Behörden laufend geprüft und beurteilt. Mit diesen Massnahmen sind die Armee und die zivilen Behörden auf sämtliche mögliche Störungen des Jahrestreffens vorbereitet. Spezielle Herausforderungen gibt es im Vergleich zum Vorjahr nicht.

Quelle: Schweizer Armee

9.1.2019

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