Oberst i Gst Hans Jörg Diener, Waffenplatzkommandant Thun
Die Truppe ist in der Stadt gerne gesehen.
Oberst i Gst Hans Jörg Diener
Einem bedeutenden Jubiläum gebührt ein grosses Fest. Mit einem Tag der offenen Tür feiert der älteste Waffenplatz der Schweiz am Samstag, 17. August, seinen 200. Geburtstag mit der Bevölkerung. Unter dem Motto «Gestern – Heute – Dynamisch» wird die Nutzung des Waffenplatzes Thun quer durch die Geschichte präsentiert. Das grosse Interview mit Waffenplatzkommandant Hans Jörg Diener zum Jubiläum.
Herr Oberst, was bedeutet Ihnen als Kommandant des Waffenplatzes Thun der bevorstehende Festakt?
Oberst i Gst Hans Jörg Diener: Es bedeutet zunächst einmal eine grosse Ehre für mich, gekoppelt an eine gewaltige Verantwortung, das Projekt «200 Jahre Waffenplatz» zusammen mit meinen Mitarbeitern umsetzen zu dürfen, an dem wir seit einem Jahr arbeiten. Denn der Waffenplatz Thun hat ein Renommee, zu dem wir Sorge tragen müssen.
Der Festakt steht unter dem Motto «Gestern – Heute – Dynamisch». Was dürfen die Besucher erwarten, wenn sie am Samstag durch die Tore des Waffenplatzes Thun schreiten?
Wir möchten an diesem Festakt aufzeigen, was über 200 Jahre auf dem Waffenplatz Thun geschehen ist. Der Ausstellungs- und Demonstrationsteil des Hauptanlasses wird deshalb die verschiedenen ehemaligen und aktuellen Nutzer des Waffenplatzes präsentieren und auch der historischen und baulichen Entwicklung des Standortes Thun gerecht werden.
Im Teil «Gestern» auf dem Kasernenareal können unter anderem in einer permanenten Ausstellung die Baugeschichte der Mannschaftskaserne oder etwa die 200-jährige Verbindung des Waffenplatzes mit der Stadt Thun besichtigt werden. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung des Waffenplatzes Thun, und zwar nicht losgelöst, sondern in Parallelität zur Weltgeschichte.
Im architektonisch modernen Teil des Waffenplatzes, dem Polygon, präsentiert sich die Schweizer Armee von heute: Von der Feldpost bis zum Kompetenzzentrum Kampfmittelräumung (ABC-KAMIR), von der Panzerschule 21 über die Instandhaltungsschule 43 oder die Elektronische Kriegführung-Schule 64 (EKF) bis hin zum Ausbildungszentrum Verpflegung stellen die Hauptnutzer des Waffenplatzes den Besuchern vor, was in der Truppe heute gelehrt wird. Weiter wird die Kommunikation Verteidigung mit #insidearmee vor Ort sein, ebenso die Militärpolizei und die Höhere Kaderausbildung der Armee (HKA). Und für Aviatikbegeisterte zeigt das F/A-18-Solodisplay in einer Vorführung sein Können.
Auf der Allmend wiederum zeigen historische Vereine dann unter dem Aspekt «Dynamisch» ein historisches Truppenlager, während Panzer (Panzerschule 21) und Artillerie (Artillerieschule 31) in Vorführungen die mechanisierten Mittel der Armee demonstrieren. Thun war von 1914 bis Anfang der 1950er-Jahre ein Militärflugplatz, deshalb wird AIR Thun, ein zivilhistorischer Aviatikverein aus der Region, die Geschichte der Militäraviatik beleuchten.
Der Ausstellungs- und Demonstrationsteil des Hauptanlasses wird die verschiedenen ehemaligen und aktuellen Nutzer des Waffenplatzes präsentieren und auch der historischen und baulichen Entwicklung des Standortes Thun gerecht werden. Somit unterstreicht die Jubiläumsfeier das erfolgreiche Miteinander von Armee und der Stadt respektive Region Thun.
Wir bieten den Besuchern also ein interessantes Panorama zur Armeegeschichte auf dem Platz Thun.
Was wird Ihr persönliches Highlight sein?
Natürlich freue ich mich zunächst einmal auf den Gesamtanlass als solchen. Insbesondere auf die Umsetzung unserer Planung bin ich gespannt, die vor einem Jahr begann.
Worauf ich mich auch sehr freue, ist die Enthüllung eines Steins aus der Kander am Eingang des Waffenplatzes. Er ist mit einer Plakette zu Ehren von Guillaume Henri Dufour versehen, der von 1819 bis 1834, zuletzt als Kommandant der Thuner Militärschule, wirkte.
Wie haben sich die Vorbereitungen für den Festakt gestaltet und wie weit sind diese schon gediehen?
Es war eine sehr spannende und herausfordernde Planungsarbeit, der wir uns seit Januar stellen mussten. Dabei hat jenes Kommando am Projekt gearbeitet, das das ganze Tagesgeschäft auf dem Waffenplatz führt – also jene Personen, die auch sonst miteinander zu tun haben. Das sorgt für kurze und produktive Wege, die verschiedenen Key Player waren permanent verfügbar und konnten sich schnell vernetzen. So konnten wir den Anlass auch stemmen.
Nun sind wir seit einer Woche in der Umsetzungsphase. Eine erste Tranche an Material wurde gefasst, das Zeltlager ist errichtet. Seit gestern nun läuft die Einrichtungsphase auf Hochtouren. Wir organisieren unser Fest im Übrigen selber mit eigener Mannskraft, denn unsere Partner, die Rekrutenschulen vor Ort, zeichnen für die ganzen Aufbauarbeiten verantwortlich. Wir sind in jedem Fall auf Kurs, was die Festaktivitäten von kommendem Samstag anbelangt. Und wir freuen uns.
Wie gestaltet sich die Arbeit auf dem Waffenplatz an sich?
Wir arbeiten mit sehr vielen Partnern zusammen. Der Auftrag des Kommandos Waffenplatz/Mechanisiertes Ausbildungszentrum ist es, die Nutzung sämtlicher Infrastrukturen sicherzustellen. Das beginnt bei den Unterkünften, betrifft die Ausbildungsinfrastrukturen im Polygon, die Simulatoren sowie die Schiessplätze bis hin zum Uebeschisee. Dies stets zugunsten unserer Nutzer, der Rekruten- und Kaderschulen, der Kurse und Lehrgänge vor Ort. Neben der Verwaltung und der Belegungsplanung vertreten unsere Mitarbeiter in den verschiedenen Projekten die militärischen Interessen. Dies alles funktioniert nur als Teamleistung zusammen mit dem Betreiber vor Ort, den Mitarbeitern des Armeelogistikcenters (ALC) Thun.
Bereits vor knapp drei Jahren fand mit «Thun meets Army and Air Force» ein Grossanlass der Armee statt. Was unterscheidet jenen Anlass von dem bevorstehenden?
Damals war es ein Gesamtanlass der Armee, also eine Armeeshow, die nicht nur auf dem Waffenplatz, sondern auch in der Stadt Thun und am See stattfand. Heuer konzentrieren wir uns nur auf das Bundesareal, denn der Schwerpunkt liegt auf der traditionellen Verankerung der Schweizer Armee in der Region, um das harmonische Miteinander der Stadt Thun und der Truppe vor Ort. Die Feierlichkeiten zum Waffenplatz Thun reihen sich im Übrigen wie das Eidgenössische Turnfest in Aarau im Juni und das anstehende Schwing- und Älplerfest in Zug ein in die Präsenz-Anlässe der Schweizer Armee.
Welches Zuschaueraufgebot erwarten Sie für Samstag, und wie stellen Sie einen reibungslosen Verkehr und die Sicherheit der Besucher sicher?
Der Anlass wird nur regional beworben, auch wenn mit den Social Media eine (und dem Artillerie-Verein Zofingen; Anm. AVZ)leichte nationale Ausstrahlung erwartet werden kann. Wir gehen deshalb von ungefähr 25'000 bis 30'000 Besuchern aus. Das Aufkommen wird aber stark von der Witterung abhängen.
Was die Verkehrsströme in und um Thun betrifft, arbeiten wir wie sonst auch mit der Stadt Thun zusammen, insbesondere mit den örtlichen Verkehrsbetrieben STI. Das hat sich bewährt. Weiter ist für die Fussgänger am Bahnhof der Weg zum Waffenplatz beschildert. Auf der Allmend gibt es Park & Ride, ein Shuttlebetrieb zum Areal ist eingerichtet.
Ebenfalls wurde auf ein bewährtes Sicherheitsdispositiv zurückgegriffen. Zusätzlich zum Wachtdienst der Truppe sorgt die Security des ALC-Thun für Sicherheit und Ordnung. Das Dispositiv ist zudem erweitert worden mit der Militär- und der Kantonspolizei. Der Festakt ist also mit einem sauberen und heterogenen Sicherheitsdispositiv versehen.
Zwischen der ehemaligen Garnisonsstadt Thun und dem militärischen Standort sind historische Bande gewachsen. Wie erleben Sie heute die Beziehung der Stadt zum Waffenplatz?
Stadt und Waffenplatz sind in den letzten 200 Jahren mit- und nebeneinander gewachsen, deshalb stimmt das Verhältnis zwischen Armee, Behörden und Zivilbevölkerung. Dabei hat der Waffenplatz zusammen mit den Logistik- und Rüstungsbetrieben die Stadt- und Regionalentwicklung nachhaltig beeinflusst. Der Blick in die Chronik zeigt harmonischere und angespanntere Phasen dieses Miteinanders. Aktuell erlebe ich die Zusammenarbeit mit der Stadt als konstruktiv und unkompliziert. Die Truppe ist in der Stadt gerne gesehen und wird durch ihre Vorgesetzten auch zu einem entsprechenden Verhalten angehalten. Armeeweit einzigartig sind die zu Beginn der Rekrutenschulen durch die Stadt Thun ausgerichteten «Welcome-Abende». Die neuen Rekruten lernen im Rahmen eines Postenlaufs Sehenswürdigkeiten und Attraktionen der Stadt kennen. Der Anlass, den das Stadtmarketing zusammen mit dem Waffenplatz durchführt, wird durch das einheimische Gewerbe mit vielen tollen Preisen unterstützt.
Profitiert die Stadt von der Liaison mit dem Waffenplatz?
Definitiv. Der Waffenplatz ist für die Stadt Thun, deren Entwicklung er seit 200 Jahren prägt und beeinflusst, von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt, weil er mit seinen Logistik- und Rüstungsbetrieben ein wichtiger Arbeitgeber in der Region ist. Entsprechend steht der Bund fest zum Armeestandort Thun. Anfang 2019 gab er weitere Ausbaupläne bekannt. So sollen für 84 Millionen Franken drei neue Ausbildungshallen gebaut werden – in einer ersten von vier geplanten Ausbauetappen, welche die 200 Jahre währende Geschichte des Waffenplatz Thun fortschreiben werden.
Und die Thuner Allmend, ein naturnahes Naherholungsgebiet und Ort vielfältiger grösserer und kleinerer Veranstaltungen, ist ohnehin nicht mehr aus der Region wegzudenken. Bei schönem Wetter wird die Thuner Allmend an den Wochenenden zum Naherholungsgebiet der Region. Eine Benutzerordnung regelt das Miteinander der militärischen und zivilen Nutzer. Der Waffenplatz wurde im Jahr 2004 durch die Stiftung Natur und Wirtschaft als Naturpark zertifiziert. Zahlreiche nationale und kantonale Schutzgebiete sind vorhanden: Moorlandschaften und Flachmoore, Trockenwiesen und -weiden, Amphibienlaich- und Naturschutzgebiete. Unbestritten ist, dass die gezielte militärische Nutzung zum Erhalt dieser wertvollen Lebensräume beiträgt.
Welche Herausforderungen bestehen?
Der Waffenplatz hatte natürlich schon immer beträchtlichen Einfluss auf die industrielle und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Daraus können sich auch Spannungsfelder entwickeln. Das gesamte brache Gelände des Waffenplatzes z.B. ist wie ein «Stachel», der bis tief in die Stadt hineinreicht. Auf der einen Seite ist er Natur- und Erholungsgebiet, was für die dortige Lebensqualität spricht, auf der anderen Seite steht er aber auch der Raumplanungsentwicklung von Stadt und Gemeinden im Weg. So ist konzentrisches Städtewachstum nicht möglich.
Die mit dem Entwicklungsschwerpunkt Thun-Nord (ESP) angestrebte Umnutzung und teilweise Demilitarisierung der AKLA (Ausbildungsanlage Kleine Allmend) ist die grosse Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Mit Zielhorizont 2040 wird die Instandhaltungsschule 43 mit dem MP-Posten und dem Kommando Fahrausbildung von diesem Perimeter disloziert. Hier ist von allen Beteiligten, zivil oder militärisch, eine umsichtige und konstruktive Mitarbeit gefragt.
Was werden Sie empfinden, wenn Sie nächsten Samstag dem Festakt beiwohnen?
Respekt und Ehrfurcht gegenüber einer 200-jährigen Geschichte auf diesem Platz, auf dem Persönlichkeiten wie Dufour, Herzog, Wille und Napoleon III Dienst leisteten. Eine solche Konzentration ist einmalig.
Quelle: Schweizer Armee
15.8.2019
Der Waffenplatzkommandant von Thun
Oberst i Gst Hans Jörg Diener (52), gebürtiger Ostschweizer, ist seit drei Jahren Waffenplatzkommandant in Thun. Als Berufsmilitär durfte er Erfahrungen in den verschiedensten Bereichen sammeln, so war er Ausbilder in verschiedenen Schulen und Lehrgängen, Mitarbeiter in Projekten und zuletzt SC LVb Pz/Art.
Geschichte des Waffenplatzes Thun
Am Samstag, 17. August 2019, wird der älteste und grösste Waffenplatz der Schweiz seinen 200. Geburtstag feiern. Genau 201 Jahre zuvor, am 17. August 1818, entschied die Eidgenössische Tagsatzung, in Thun die neue «Eidgenössische Zentral-Militärschule» zu errichten. Am 1. August 1819 erfolgte die feierliche Eröffnung. Während sich zu jener Zeit die Unterkünfte noch zentral in der Stadt befanden, eignete sich die Thuner Allmend bestens, um in den «Eidgenössischen Truppenlagern» die Artillerie, Genie, Infanterie und Kavallerie im Ver-bund auszubilden.
Die Geschichte des Waffenplatzes Thun ist also eng mit der schweizerischen Militärgeschichte verbunden. Guillaume Henri Dufour wird 1832 Kommandant der Thuner Militärschule. Als vor 201 Jahren der Entscheid fiel, in Thun eine Militärschule zu gründen, hatte Dufour bereits eine beachtliche militärische Karriere zurückgelegt. Gerade deshalb war er prädestiniert, sich am Aufbau der Militärschule in Thun zu beteiligen, an der er von 1819 bis 1831 als Genie-Instruktor tätig war. Seine wohl bedeutendste militärische Rolle übernahm Dufour am 21. Oktober 1847, als er den Eid zum General der eidgenössischen Truppen im Sonderbundskrieg ablegte. Dank seines geschickten Vorgehens konnte der Konflikt mit relativ wenig Blutvergiessen beigelegt und das Auseinanderbrechen der Eidgenossenschaft verhindert werden.
Ungeachtet der Armeereformen nach dem Kalten Krieg blieb der Waffenplatz Thun einer der wichtigsten Ausbildungsplätze der Schweizer Armee. Neben den Panzer- und Logistiktruppen nutzen die Rekrutenschulen aus Spiez und Jassbach den Waffenplatz. Unter anderem werden Kommunikations- und Führungssysteme sowie seit neuestem auch Cybertechnologien (am Standort Jassbach) ausgebildet und weiterentwickelt.
Nicht zuletzt ist Thun ein wichtiger Standort der Logistikbasis der Armee sowie der RUAG und Armasuisse. Das Mechanisierte Ausbildungszentrum (MAZ) in Thun gehört zu den europaweit modernsten Zentren für simulationsgestützte militärische Ausbildung. Es vereint alle für die umfassende Ausbildung von Truppen und Stäben nötigen Ausbildungsmittel. Neben Waffen-, Funk- und Computerräumen sowie polyvalent nutzbaren Theorieräumen stehen im MAZ diverse Ausbildungsanlagen für (Schützen-) Panzerbesatzungen zur Verfügung.