Serena Psoroulas, Teilchenphysikerin
Gerade die älteren Kollegen hier am PSI haben grosse Erfahrung, weil sie die Apparate selbst entwickelt, aufgebaut und getestet haben.
Serena Psoroulas, Teilchenphysikerin
Erstmals haben Forschende am Zentrum für Protonentherapie des Paul Scherer Instituts PSI in der Schweiz eine ultraschnelle, hoch dosierte Bestrahlung mit Protonen getestet. Dieses neue, experimentelle FLASH-Verfahren könnte die Strahlentherapie von Krebs revolutionieren und Patienten viele Wochen der Behandlung ersparen.
Blitze beeindrucken in der Natur durch ein kurzes, starkes Leuchten und eine hohe Energieentladung. FLASH - der englische Begriff für Blitz - steht auch in der Strahlenmedizin für eine ultrakurze und hoch dosierte, einmalige Bestrahlung und könnte künftig den Patienten viele Wochen an Behandlung ersparen. Am Zentrum für Protonentherapie ZPT testen PSI-Forschende deshalb, ob FLASH auch für die Protonenbestrahlung mit der am PSI entwickelten Spot-Scanning-Technik geeignet ist. Für ihre Experimente arbeiten Damien Weber, Leiter und Chefarzt des ZPT, und sein Team am PSI mit dem Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) in Lausanne zusammen. Dort wurde mit einer Genehmigung der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) der bislang einzige Patient weltweit im FLASH-Verfahren bestrahlt, um einen bösartigen Tumor in der Haut zu heilen. Anders als das PSI verwenden die Forschenden am CHUV Elektronenstrahlen. Diese eignen sich ausschliesslich für sehr oberflächlich liegende Tumore. Demgegenüber erreichen die am PSI verwendeten Protonen auch tief im Körperinneren liegende Tumore und lassen sich exakt an der Stelle im Körper stoppen, wo sie ihre maximale Wirkung auf die Krebszellen entfalten sollen.
Kurz und heftig
«Wenn wir die hohe Präzision und die gute Wirkung der Protonentherapie mit einer FLASH-Bestrahlung erreichen, ohne gesundes Gewebe zu schädigen, wäre dies ein Riesenfortschritt», sagt Damien Weber. Behandlungen könnten damit viel kürzer und weniger belastend für Patienten werden. «Wenn das Prinzip funktioniert, müssten die Patienten nur wenige Male zur Bestrahlung kommen, idealerweise nur ein bis fünf Mal. Die frei werdenden Behandlungsplätze würden anderen Krebskranken zur Verfügung stehen.» Wegen der extrem kurzen Bestrahlung lasse sich mit der FLASH-Technik selbst Gewebe in der Lunge behandeln, das bei jedem Atemzug seine Lage verändere. Bevor das Verfahren allerdings technisch so ausgereift ist, dass es bei Patienten routinemässig zum Einsatz kommen kann, braucht es noch viele Jahre an technischer Entwicklung und sehr viele Tests. Bei FLASH wird eine Strahlendosisrate von bis zu 1000 Gray pro Sekunde verwendet, dies ist eine etwa hundertmal höhere Strahlendosis pro Sekunde gegenüber den sonst üblichen Behandlungen. Das zerstört zwar die Tumorzellen sehr effektiv. «Wir brauchen aber zuallererst Beweise, dass Protonenbestrahlung mit der FLASH-Technik gesundes Körpergewebe nicht schädigt», so Weber.
In ihren Experimenten wollen die PSI-Forschenden deshalb die maximal mögliche Intensität des Stahls nutzen und diese ohne Verluste auf biologisches Gewebe richten, das weniger als ein Millimeter dick ist. Dafür hat Teilchenphysikerin Serena Psoroulas mit ihrem Team die Einstellungen für die Strahlführung in einer früheren Behandlungsstation für Protonentherapie des PSI, die sogenannte Gantry 1, optimiert. «Gerade die älteren Kollegen hier am PSI haben grosse Erfahrung, weil sie die Apparate selbst entwickelt, aufgebaut und getestet haben», so Psoroulas. Sie haben die Kontroll- und Sicherheitssysteme eingerichtet und die Programmcodes für die Bestrahlung geschrieben.» Dieses Knowhow zwischen ingenieurtechnischer Spitzenleistung, medizinischer Expertise und Physik haben die PSI-Forschenden jetzt genutzt, um die weltweit ersten Experimente der FLASH-Bestrahlung mit der am PSI entwickelten Spot-Scanning-Technik durchzuführen.
Starker Partner
Bislang haben die Forschenden zwei Serien von Experimenten mit der FLASH-Technik am PSI durchgeführt. Dafür arbeitet das Team von Weber eng mit der Strahlenbiologin Marie-Catherine Vozenin und ihrem Team vom CHUV zusammen. Alle Experimente in dem vom Schweizerischen Nationalfond SNF (Fördernummer 190663) und einem Industriepartner geförderten Projekt haben die beiden Forscherinnen gemeinsam geplant. Sie bestrahlen parallel und zeitgleich mit Protonen am PSI und mit Elektronenstrahlen am CHUV. Anschliessend wird im radiobiologischen Labor des CHUV analysiert, welche Auswirkungen die FLASH-Bestrahlung auf das biologische Gewebe hat. Die Forschenden am PSI schätzen die starke Partnerschaft mit dem CHUV besonders. Deshalb sind auch beide Institutionen Teil eines Konsortiums, das sich der Erforschung der FLASH-Therapie für den Einsatz an Patienten verschrieben hat. Damien Weber: «Durch unsere Synergien in der Zusammenarbeit und unsere gemeinsamen Experimente hoffen wir, die FLASH-Technik besser zu verstehen und weiterzuentwickeln.» In der Erfolgsgeschichte der Protonentherapie am PSI fängt ein neues Kapitel an.
Quelle: PSI / Sabine Goldhahn
29.9.2020
Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2100 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 400 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.